Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) überfiel am 03.08.2014 die Eziden in der nordirakischen Region Shingal. Der IS konnte ohne Gegenwehr der kurdischen und irakischen Streitkräfte Shingal einnehmen. Im Zuge des militärischen Vormarschs kam es zu unfassbaren Gräueltaten an der dort lebenden Zivilbevölkerung: Mehrere tausend Menschen wurden auf bestialische Art und Weise gefoltert und hingerichtet, unzählige Menschen wurden schwer verletzt, mehrere tausend Mädchen und Frauen wurden verschleppt, vergewaltigt und auf Märkten als Sklavinnen verkauft. Das Schicksal tausender junger Mädchen und Frauen ist bis heute ungeklärt. Viele Dörfer und religiöse Stätten in Shingal wurden zerstört. Nahezu die gesamte Zivilbevölkerung (ca. 450.000 Eziden) floh vor den IS-Terroristen und fand vorläufig Schutz in notdürftig errichteten Flüchtlingslagern im Norden des Irak. Viele hundert Menschen, insbesondere Kleinkinder und Greise, überlebten die Strapazen der Flucht über die kargen Berge in der glühenden Sommerhitze nicht. Die wirtschaftliche, politische und kulturelle Lebensgrundlage der Eziden in Shingal, dem größten homogen besiedelten Gebiet der Religionsgemeinschaft, wurde mit einem Schlag zerstört.
Obwohl der IS im Jahr 2015 aus Shingal zurückgedrängt werden konnte, sind bislang nur wenige Eziden in ihre alten Häuser zurückgekehrt. Angesichts der fortwährenden Gefahr, die vom IS für die ganze Region, insbesondere aber für die nicht-sunnitischen Minderheiten, ausgeht, wollen die meisten Eziden nicht in ihre alten Siedlungsgebiete zurückkehren. Die politische Führung der Eziden im Irak hat wiederholt um Unterstützung beim Wiederaufbau der zerstörten Städte und der Infrastruktur gebeten. Denn die meisten vom IS besetzten Städte sind zum großen Teil in Schutt und Asche gelegt und vermint. Die Garantie des körperlichen Schutzes und die Schaffung einer Zukunftsperspektive dürften essentiell sein für ein dauerhaftes Verbleiben der ezidischen Bevölkerung im Irak. Davon ist man aber noch sehr weit entfernt. Gegenwärtig befinden sich noch rund 300.000 Eziden in Flüchtlingslagern im Nordirak. Sie leben dort ohne jede Zukunftsperspektive. Nach den traumatischen Erlebnissen rund um Vertreibung und Vernichtung wollen die wenigsten nach Shingal zurückkehren. Die humanitäre Lage in den Flüchtlingslagern ist zudem katastrophal. Es mangelt vor allem an einer ausreichenden medizinischen und therapeutischen Versorgung der schwer traumatisierten Opfer und ihrer Angehörigen.
