Tausi Melek

Das Herzstück des Ezidentums ...

… ist der Glaube an Tausi Melek, der durch einen Pfau symbolisiert wird. Er ist der erste und bedeutendste Engel und wurde am Sonntag, dem ersten Tag der Woche, erschaffen. Er wurde von Gott zum obersten der sieben Engel auserkoren und steht somit im Mittelpunkt des ezidischen Glaubens. Die Eziden nennen sich daher selbst auch „Volk des Engel Pfau“ (Miletê Tawûsî Melek). Entgegen der vielfachen Behauptung oder Mutmaßung von Nicht-Eziden symbolisiert Tausi Melek nicht den in Ungnade gefallenen Engel, den wir von der christlichen und islamischen Lehre kennen. Tausi Melek ist keineswegs der Gegenpart zu Gott, sondern im Gegenteil dessen Mittler auf der Welt, der Gottes Plan und Werk ausführt. Tausi Melek ist – wie die anderen Engel auch – aus Gottes Licht hervorgegangen und daher Bestandteil Gottes. Tausi Melek ist die Manifestation des Schöpfers, aber nicht der Schöpfer selbst, er ist Gottes Alter Ego und mit ihm untrennbar verbunden.

Weder in den heiligen religiösen Texten der Eziden noch in den sonstigen mündlichen Überlieferungen gibt es Hinweise darauf, dass Tausi Melek als böse betrachtet oder als eine antagonistische Kraft zu Gott und dem Prinzip des Guten wahrgenommen würde. Tausi Melek – als Alter Ego Gottes – lässt zwar auch böse Taten geschehen, bleibt jedoch seinem Wesen nach stets das Prinzip des Guten. Wie ist das zu erklären? Die Antwort hierauf gibt uns das ezidische Gottverständnis: Nach ezidischer Vorstellung bewirkt Gott auch das Böse in der Welt, denn die böse Handlung ist ein Teil des göttlichen Weltplanes, die von Gott als Mittel zu seinem höheren Ziel benutzt wird. Zudem enthält sie etwas Reales und dieses ist an sich positiv. Alles scheinbar Böse ist im Grunde gut, kommt von Gott und wird nur dadurch „böse”, dass der Mensch es von seinem „begrenzten“ Standpunkt aus als „böse” bezeichnet, wenn es seinen subjektiven Wünschen nicht entspricht.

Natürlich gibt es auch böse Handlungen, die an sich abscheulich sind und verurteilt werden müssen. Diese haben ihren „bösen“ Charakter von Natur aus und nicht allein durch die subjektive Einschätzung. Der Mensch wurde von Gott mit Verstand begabt; er muss sich seines Verstandes bedienen, um zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Insofern ist der Mensch selbst verantwortlich für sein Denken und Handeln.